DACH | HORIZONT: “Wir sind die Diskussionen um Brand Safety und Adfraud leid”
Carsten Schwecke, Chief Digital Officer von Media Impact, hat die Diskussionen mit Werbungtreibenden und Agenturen über Brand Safety und Adfraud satt. Ihm zufolge handelt es sich bei den Themen vorwiegend um “strategische Druckpunkte”, mit denen im Nachhinein erneute Preisverhandlungen gerechtfertigt werden sollen. Mit einem neuen Ad-Verification-System will der Springer-Vermarkter nun entgegensteuern, kündigt er im Interview mit HORIZONT an.
Herr Schwecke, Sie bezeichnen „Trust, Traffic und Tech“ als die Zauberformel von Media Impact in der Digitalvermarktung. Warum?
Gerade in turbulenten und ernsten Zeiten suchen Menschen nach glaubwürdigen Quellen. Das ist ein Trend, der sich nach all den Diskussionen über Fake News und ,Youtube-Gate’ mittlerweile abzeichnet. Und, das ist eines der Ergebnisse unserer Nachrichtenrelevanzstudie, die Leser suchen die News wieder verstärkt bei der Originalquelle. In der Reichweiten-Entwicklung liegt Facebook laut Best for planning bei minus 3 Prozent, Bild über alle Kanäle dagegen bei plus 11 Prozent. Das heißt: Vertrauen in das Medium in Kombination mit einer positiven Reichweitenentwicklung und einer entsprechenden technologischen Ausstattung ist für uns tatsächlich das Erfolgsrezept in der Digitalvermarktung.
Und die ernsthafte Quelle ist Bild.de?
Aber natürlich! Im Zuge der Diskussionen um Brand Safety werden immer wieder verschiedene Dinge in einen Topf geworfen. Emotionale und polarisierende Themen, für die Bild wie keine andere Medienmarke steht, sind auch für die Vermarktung ein großer Vorteil, weil Werbetreibende von besonders aufmerksamkeitsstarken Umfeldern profitieren. Brand Safety ist für uns überhaupt kein Problem, auch wenn Werbungtreibende und Agenturen versuchen, das Thema über alle Medien zu stülpen.
Inwiefern? Sind die Forderungen gerade im Digitalen nicht gerechtfertigt?
Eigentlich war Brand Safety ein reines Youtube-Thema und Social Media-Thema, wurde dann aber insbesondere von Seiten der Werbungtreibenden pauschal in die Branche getragen. Dabei führt Werbung im Umfeld einer redaktionellen Berichterstattung über harte Themen wie Terror oder Gewalt nicht zwangsläufig zu einer negativen Werbewirkung, im Gegenteil: Die Betrachtungsdauer von einzelnen Kampagnen in stark emotionalisierenden Umfeldern ist deutlich länger. Brand Safety hat sich meiner Meinung nach zu einem strategischen Druckpunkt entwickelt, um im Nachhinein erneute Preisverhandlungen zu rechtfertigen. Keine Sorge, Media Impact stellt sich hier robust auf – trotzdem appelliere ich an die Branche, nicht immer alles gleich in einen Topf zu werfen.
Die Diskussion um Adfraud geht möglicherweise in eine ähnliche Richtung. Laut OVK gibt es in Deutschland kein nennenswertes Fraud-Problem, was wiederum den Kundenverband OWM in Rage bringt. Wer hat Recht?
Das Adfraud-Problem existiert im deutschen Markt so gut wie nicht. Ich bin mir sicher, dass alle redaktionell getriebenen Websites hierzulande eine Adfraud-Quote zwischen 1-2 Prozent haben. Trotzdem sind wir hier nicht untätig und entwickeln derzeit im Programmatic Bereich zusammen mit Verlagen wie Schibsted und Guardian Qualitätsstandards, um die Wertschöpfungskette noch effizienter zu gestalten und auch die letzten Prozentpunkte Adfraud komplett zu minimieren. Genau wie beim Thema Brand Safety befinden wir uns beim Thema Adfraud schnell in einer preislichen Verhandlungsdiskussion. Mit möglichst hohen Adfraud-Zahlen können leicht Nachrabattierungen gefordert werden – mit niedrigen ist es dagegen schwieriger. Wir sind diese Diskussionen leid – und handeln dementsprechend.
Wie?
Wir bieten unseren Kunden seit dem 1. November ein modulares Ad-Verification-System an, bei dem wir mit den Messdienstleistern Meetrics und Integral Ad Science zusammenarbeiten. Bislang war es ja so: Der Werbungtreibende misst mit Tool A, der Vermarkter mit Tool B – und im Nachgang diskutiert man darüber, wie Zähldifferenzen zustande kommen und wie das den Preis für die Kampagne beeinflusst. Künftig werden wir uns im Vorfeld mit unseren Kunden über das favorisierte Ad-Verification-Tool abstimmen. Möglich gemacht hat das im Übrigen erst unsere Zusammenarbeit mit Appnexus. Wir können unseren Kunden auf Kampagnenbasis unterschiedliche Dienstleister anbieten – das kann kein anderer Vermarkter.
Sie haben sich im Frühjahr dieses Jahres für den strategischen Switch im Adtech-Stack von Google zu Appnexus entschieden. Trauen Sie sich eine erste Zwischenbilanz zu?
Eines steht fest: Wir bereuen unsere Entscheidung definitiv nicht. Die – zugegeben zahlreichen – Warnungen aus der Branche, der Wechsel des Adservers führe zu Chaos und nehme die Dynamik aus der Vermarktung, sind nicht eingetreten. Wir haben dieses wirklich sehr komplexe Projekt innerhalb von nur drei Monaten durchgezogen – mit bisher hervorragenden Erfolgen. Alle unsere großen Portale sind komplett migriert. Wir haben unser Ziel, uns an dieser Stelle insbesondere von Google unabhängig zu machen, also schon heute erreicht.
Sie haben zudem eine eigene DMP etabliert, auf der über 2,5 Millionen Artikel auf Basis von Interessen segmentiert und vertagt sind. Das ist ein ordentlicher Datenschatz…
Mit „Media Impact Intent“ etablieren wir aktuell ein völlig neues Produkt, bei dem es darum geht, auf Basis des Leserverhaltens gewisse Umfelder zu targeten. Das ist extrem spannend. Ein Fußballsponsor möchte nur die Fans seines Vereins adressieren? Kein Problem! Es geht einfach darum, sich allmählich auf Augenhöhe zu den Tech-Unternehmen dieser Welt zu positionieren. Facebook targeted nach Likes, wir nach Leseverhalten. Wir werden sehen, welche Indikatoren langfristig die besseren sind. Aktuell stoßen wir bei Werbungtreibenden jedenfalls auf sehr offene Ohren. kan
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